Das autonome Nervensystem funktioniert anders als lange angenommen wurde. Diese veränderte Sichtweise können wir dem Wissenschaftler Stephen Porges zuschreiben. Aufgrund intensiver Studien konnte Porges nachweisen, dass der Nervus vagus, der wichtigste parasympathische Körpernerv, zweigeteilt ist und demnach aus einem ventralen und einem dorsalen Teil besteht. Diese Zweiteilung des Nervs hat für das menschliche Kontaktverhalten – die Kommunikation – eine große Auswirkung. 1995 fasste Stephen Porges diese neuen Forschungsergebnisse unter dem Namen „Polyvagal Theorie“ zusammen.
Das autonome Nervensystem hat sich evolutionär immer weiterentwickelt. Es hat die Aufgabe übernommen, die inneren Organe über Aktivierung oder Inaktivierung an die jeweilige Lebenssituationen anzupassen. Als erstes entstand das Vagale-System (Parasympathikus), das dem dorsalen Kern im Hirnstamm entspringt. Dann bildeten sich neben dem Rückenmark sympathische Ganglien, die für die maximale Mobilisierung der Ressourcen, vor allem für den Kampf- und Fluchtmechanismus verantwortlich sind. In der Phylogenese der Säugetiere teilte sich der Vagus in einen dorsalen und ventralen Nerv, die beide im Hirnstamm entspringen und sich zunehmend weiter voneinander entfernten. Im normal täglichen Gebrauch steht uns der neuere ventrale Parasympathikus zur Verfügung. Dieser Teil des Nervs, der auf Kontakt und Kommunikation ausgerichtet ist, wird auch das „social engagement system“ genannt. Kommt dieses mit einer Situation nicht zurecht und überfordert sich, wird der Sympathikus mit seinen Mobilisierungsstrategien aktiviert. Er bereitet uns auf das Kämpfen oder Fliehen vor. In dieser Phase ist die Kommunikationsfähigkeit, im Gegensatz zum normalen täglichen Gebrauch, stark eingeschränkt -„Don’t talk to me, I am scanning for danger“. Wenn auch dieses Lösungsmuster versagt, tritt der alte dorsale Vagus in Kraft und legt alles still, was dem Erstarrungsmuster entspricht. In dieser Phase haben wir mit einem noch stärker eingeschränkten Kontakt und eingeschränkter Kommunikation zu tun oder schalten das soziale Netz komplett aus.
Porges ist der Meinung, dass Therapie mehr ist als reden und zuhören. Nötig sind körperbetonte therapeutische Ansätze, die die Stammhirnfunktionen zur Ruhe bringen, womit Patienten in deren „Social Engagement System“ zurückgebracht werden, um so produktive Kommunikation und Kontakt zu ermöglichen.
Die Redensart „in der Ruhe liegt die Kraft“ bekommt hier nochmal eine neue Bedeutung.
Die CranioSacrale Therapie und die viszerale Mobilisation bieten beste Voraussetzungen, um den Patienten in den ruhigen Vagus Zustand zu bringen.