Wer ist eigentlich John Martin Littlejohn?

John Martin Littlejohn wurde am 15.2.1866 als Sohn eines presbyterianischen Pfarrers in Glasgow geboren. Er war hochintelligent, eher introvertiert mit anfälliger Gesundheit und litt unter dem rauen, schottischen Klima.

Er studierte an der Universität in Glasgow und schloss seine Studien in Theologie, Jura, Medizin, Philosophie und Soziologie ab. Während dieser Zeit kam es zu einem schweren Unfall, als dessen Folge Littlejohn unter wiederkehrenden Blutungen im Hals und unter Kopfschmerzen litt.

1892 wandert er nach Amerika aus. Seine beiden Brüder James und William begleiten ihn. An der Columbia University in New York setzte er seine Studien fort.

Im Zeitraum von 1894 bis 1897 leitete er das Amity College in College Springs in Iowa.

Aufgrund seiner anhaltenden gesundheitlichen Beschwerden ließ er sich 1897 in Kirksville von Dr. Andrew Taylor Still behandeln. Bereits wenige Behandlungen führten zu einer deutlichen Linderung seiner Symptome. Da Still dringend qualifizierte Lehrer an seiner American School of Osteopathy benötigte, bot er Littlejohn und seinen Brüdern eine Anstellung an.

1898 begann Littlejohn mit der Arbeit als Professor für Physiologie und Psychologie.

Er gab der Osteopathie eine wissenschaftlich orientierte Struktur. Anhand von Studien wurden empirisch gewonnene Thesen überprüft.

Innerhalb der Fakultät gab es bald einen tiefen Konflikt: Still und seine Anhänger betrachteten die Anatomie als wesentlich, Littlejohn und seine Brüder betrachteten die Physiologie als Kern der Osteopathie. Zusätzlich gab es noch den Konflikt zwischen den akademisch gebildeten Ärzten und den praxisorientierten Osteopathen.

1900, im Jahr in dem er seine Frau Mabel Alice heiratete, verließ Littlejohn aufgrund der vorgenannten Konflikte Kirksville und gründete in Chicago das „Chicago College of Osteopathy“, welches sich schnell zum wissenschaftlichen Zentrum der Osteopathie entwickelte.

Der Flexner Report sah die sich stark ausweitende Osteopathie, Chiropraktik und Homöopathie kritisch. In der Folge gab es staatliche Förderungen nur noch für jene Institutionen, die universitäre Standards und Curricula nachweisen konnten.

1913 zieht Littlejohn mit seiner inzwischen achtköpfigen Familie nach Bagger Hall nahe London.

1917 gründet er die British School of Osteopathy (BSO) in London, deren Lehrbetrieb 1922 begann.

1935 kam es auch in England zu Angriffen der British Medical Association gegen alternative Behandlungsansätze. In der Folge wurde der Osteopathie die Anerkennung verweigert und Littlejohn zu Unrecht als unehrenhaft bezeichnet.

1940 verkauft er seine Anteile an der BSO und zieht sich nach Bagger Hall zurück, wo er am 8. Dezember 1947 verstarb.

Empathie und Selbstbestimmung?

Vor einiger Zeit las ich im Ärzteblatt einen Artikel, der mir danach stets immer wieder in den Sinn kam. Er handelte über die Veränderungen im ärztlichen Berufsgelöbnis, einen Wandel in Richtung Selbstbestimmung und Autonomie des kranken Menschen. Mir stellte sich dabei die Frage, wie dies in der täglichen Praxis Anwendung findet und finden könnte.

Viele Therapeutinnen und Therapeuten kennen es – der Alltag ist zeitlich stressig und ist doch nicht selten von hohen Erwartungen geprägt: Erwartungen des Patienten, der Angehörigen, der Arbeitgeber oder von den eigenen – denn es möge dem Menschen schnell und am liebsten dauerhaft besser gehen. Manch einer von uns fühlt sich dann berufen, die Kompetenz des Patienten aus den Augen zu verlieren und dabei die eigene Analyse oder Behandlungsmethode überzubewerten. Glücklicherweise verlaufen viele Behandlungen trotzdem gut. Aber könnte die Selbstbestimmung und Autonomie des Patienten nicht womöglich die Gesundheit dauerhaft und ganzheitlicher fördern?

Im ärztlichen Gelöbnis steht „die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit der Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot sein.“ Das gilt natürlich auch für die nicht-ärztlichen Behandler*innen. Was wird dabei jedoch als „Gesundheit“ angenommen?

Gesundheit ist nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Das bedeutet, dass es nicht ausschließlich darum geht, die körperlichen Symptome zu lindern.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt zum Thema Gesundheit Folgendes:

„Gesundheit ist also kein eindeutig definierbares Konstrukt; sie ist schwer fassbar und nur schwer zu beschreiben. Heute besteht in den Sozialwissenschaften und der Medizin Einigkeit darüber, dass Gesundheit mehrdimensional betrachtet werden muss: Neben körperlichem Wohlbefinden […] und psychischem Wohlbefinden (z.B. Freude, Glück, Lebenszufriedenheit) gehören auch Leistungsfähigkeit, Selbstverwirklichung und Sinnfindung dazu. Gesundheit hängt ab vom Vorhandensein, von der Wahrnehmung und dem Umgang mit Belastungen, von Risiken und Gefährdungen durch die soziale und ökologische Umwelt sowie vom Vorhandensein, von der Wahrnehmung, Erschließung und Inanspruchnahme von Ressourcen. Die Sozialwissenschaftlichen Definitionsversuche des Phänomens Gesundheit zeichnen sich dabei durch eine Komplexität aus, die historisch betrachtet als neu zu bezeichnen ist.“

Auch hier finden wir wieder, dass es neben den körperlichen Aspekten viele andere gibt, die den Menschen dazu verhelfen gesund zu sein.

Zum ärztlichen Gelöbnis hinzugefügt wurde: „Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patienten oder meines Patienten respektieren.“ – etwas  befremdlich für mich, wenn bereits im Grundgesetz verankert ist, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, gut jedoch, dass es explizit erwähnt wird.

Wir ,als Zugehörige einer medizinischen Berufsgruppe, haben die Möglichkeit, den Menschen zu empfehlen Risiken zu meiden (Prävention) und gesundheitsförderliche Maßnahmen anzuwenden – ganz abgesehen von den spezifischen Maßnahmen, die wir in unserem Beruf durchführen können. Was jedoch für den jeweiligen Menschen tatsächlich hilfreich ist, was er sich genau wünscht, wie das dann erreichbar sein könnte – auch autonom ohne mich –, und vieles mehr kann nur mit dem Menschen in seiner speziellen Situation mit sich und in seinem eigenen Umfeld und Umwelt angeschaut werden – vielleicht kann das als Achtung der Würde angesehen werden.

Was wir dabei durchaus überlegen dürfen ist, ob wir dem Menschen dann als wirklich selbstbestimmt ansehen und wir mit einer empathischen Herangehensweise auch die Eigenkompetenzen des Einzelnen einbeziehen. Aus meiner Sicht sind dabei die sogenannten “Soft-Skills“ sehr wichtig – aktives Zuhören, sorgfältiges Nachfragen und behutsames Verbalisieren von Informationen, die sich „zwischen den Zeilen“ befinden können.

Egal, ob wir DIE Spezialisten für den Körper und deren Funktionen sind, wenn wir „Ganzheitlichkeit“ ernst nehmen wollen, dann betrachten wir mehr als nur das und lassen den Menschen wissen, dass seine Eigenkompetenz die ganze Zeit wichtig ist, dass wir diese würdigen und für einen sinnvollen Gesundungsprozess benötigen.

Euer Gert

Quelle: https://www.aerzteblatt.de/archiv/194278/Weltaerztebund-Revision-des-aerztlichen-Geloebnisses