Über die Rolle der Arterien am Schädel

In meinem ersten Cranio Kurs vor ungefähr 28 Jahren galt es den CSR am Kopf zu spüren. Bis dahin hatte ich mich intensiv mit dem Fühlen der Extremitäten, der Wirbelsäule und den Kiefergelenken beschäftigt.

Gleich am ersten Kurstag fühlte eine Hand am Kopf den CSR, die andere war am Brustkorb bemüht ihn von Herzschlag und Atmung zu unterscheiden. Hinzu kam der therapeutische Puls, anders zu spüren als den CSR, die Atem- und Pulsfrequenz. Und zwischen dem linken und rechten Hirn herrschte Chaos.

Tastete ich eine undefinierte Bewegung unter den Händen, musste ich nachfühlen, ist es der arterielle Puls?

Also fühlte die eine Hand beim Patienten an der A. radialis des Unterarms, die andere meinen Puls (oder war es doch der CSR?). Gleichzeitig wurde der Druck dem Fühlen zu vertrauen und doch zu widersprechen immer größer.

Deutlich fühlte und sah ich die Atembewegung im Körper, außer am Kopf, fühlte die Arterien der Füße, der Brust und des Halses (A. carotis). Dazu den CSR und therapeutischen Puls besonders gut am Kopf, denn darin befände sich eine Pumpe die pulsiert, sagte man mir: „Wenn man in einen Luftballon hineinpustet, die Luft danach wieder entweichen lässt, bewegt sich der Luftballon auch.“ Also gab es begabte Leute, die den CSR fühlen konnten.

Wir sahen ein Modell mit guten Bildern von der, neben Herz und Lunge, dritten eigenständigen Pumpe (dem Liquorsystem). Doch um in Ruhe fühlen zu können, fehlte noch etwas. Heute weiß ich, es sind die Gewebepunkte, die ich aus der Vergangenheit kannte. Ich erinnerte mich in diesem Zusammenhang auch an Andrew Taylor Still: „The role of the arterie is supreme.“

Wo befinden sich eigentlich die Arterien am Kopf? Mein Anatomieprofessor hatte mir damals geholfen, einige zu benennen. Doch ich konnte sie nicht fühlen. Dazu sagt Sutherland: „Das Bild der Arterien“ und Upledger: „Das Wissen darum“ wird dir helfen sie zu fühlen.

Unter Belastung schlägt nicht nur das Herz, es pulsiert auch im Kopf. Das habe ich in meiner Jugend als Sportler erfahren. Mit diesem Wissen fand ich den roten Faden, der mir schon abhanden gekommen zu sein schien, und wissbegierig suchte ich in meinen Anatomiebüchern. Aber Palpationskreise der Arterien fand ich nicht. Hatte ich in den falschen Büchern gesucht?

Hier ist das Ergebnis meiner Arbeit. Ich bin gespannt, ob Ihr nach dem Lesen meines Artikels die 36 Pulse tasten könnt. Findet Ihr mehr, so schreibt mir bitte.

Die A. carotis communis neben der Epiglottis zu tasten ist wohl bekannt (direkt neben dem Krawattenknoten), dann fühlt mit dem Zeigefinger einen Querfinger vor dem äußeren Gehörgang (Meatus accusticus externus), dort pulsiert die A. temporalis superficialis.
Einen Querfinger unterhalb vom Jochbogen (Proc. zygomaticus ossis temporalis) pocht die A. zygomatico orbitalis.
Einen Zentimeter über dem Jochbogen liegt die A. transversa facialis. Wenn Ihr die Zähne zusammenbeißt, den Zeigefinger auf den Vorderrand vom M. masseter legt und entspannt, dann findet Ihr die A. facialis, versteckt auf der Mandibula.

Nun kommen wir zum Neurocranium. An der Außenseite vom Os frontale, ist ein „Gartenschlauch“ verlegt, die A. temporalis Ramus frontalis. Besonders bei älteren Menschen ist sie oft sichtbar.
Wenn Ihr die Hand flächig auf das Os parietale legt, sollte Euch seitlich der Scheitelast entgegenklopfen, die A. temporalis Ramus parietalis. Oft liegt medial vom Proc. mastoideus die A. occipitalis.
Spürt Ihr bis jetzt noch wenig Pulse, legt Euch einfach in eine warme Badewanne. Man kann auch eine enge Badehaube aufsetzen und den Verlauf der Arterien fühlen und aufmalen.

Kommen wir nun zu den Kopfarterien des Viscerocraniums.
Die A. supraorbitalis, aus der A. ophtalmica stammend, fühlen wir am Os frontale neben der Glabella am Orbitarand. Eine Stelle auf die viele Kopfschmerzpatienten drücken. Manchem auch als Trigeminuspunkt bekannt.
Ein Querfinger medial vom Tränenpünktchen, auf dem Proc. frontalis der Maxilla, liegt die A. dorsalis nasi. Auf der Maxilla am Foramen infraorbitale, dort wo der N. maxillaris heraustritt, verläuft die A. infraorbitalis.
An der Mandibula am Foramen mentale, dort wiederum tritt ein Nervenast vom N. mandibularis heraus, pulsiert die A. mentale. Die muss man ein wenig suchen.
Am Angulus mandibulae, am Hinterrand, wo wir den Ansatz des M. pterygoideus med. beim Zubeißen tasten, liegt etwas davor die A. submentalis.

Nun fühlen wir im Mund. Ein Querfinger lateral vom Zungenbändchen, unter der Zunge, befindet sich die A. profunda linguae.
Die A. palatina liegt hinter den oberen Schneidezähnen am Os incisivum, ein Querfinger medial der Sutura intermaxillaris.
Zuletzt suchen wir die A. buccalis. Sie weist die größte Variationsbreite auf. Wir fühlen auf der unteren Zahnleiste entlang bis zum 2. Praemolaren oder 1. Molaren. Anschließend den Zeigefinger von innen gegen die Wange drücken und von außen mit dem Daumen gegenhalten.

Das waren die versteckten, pulsierenden „Gartenschläuche“.

Da wir nun so viele Palpationspunkte kennen, kann eine schöne Aufgabe darin bestehen, das ganze arterielle Netz am Kopf zu visualisieren.

Eine Frage habe ich mir gestellt: Wie habe ich es geschafft, den Kopf zu behandeln ohne die Arterien zu spüren?

So kannte ich aus der Orthopädie den Valsalva-Test: Nase und Mund zuhalten und Luft durch die Eustach`sche Röhre ins Mittelohr drücken. Und wie fühlt sich bei diesem Vorgehen der Schädel an?

Heute brauche ich, am Kopf sitzend, meine Hände nicht mehr wegzunehmen, um den Puls und die Atmung zu fühlen.

Jeder Finger bekommt einen arteriellen Puls und ein Bild in mir entsteht, als spielte ich Klavier, ohne die Finger zu bewegen.

Nach einer kurzen Pause warten meine Finger auf den Augenblick, in dem sie dem nächsten Rhythmus nachgehen können – der Motilität des Gehirns.
Davon vielleicht einmal später!

Stefan Höppner

Die Schädelpalpation vom Neurocranium

Wichtig ist, wie man Strukturen visualisiert, wie man sie plant, um danach mit ihnen zu arbeiten.

Die Handballenfläche legt ihr auf die Glabella, (Glaber = glatt, Glätzchen). Das ist die Erhebung in dem Feld zwischen den Augenbrauen. Alle Finger zeigen in Richtung Cranium. Mit dem 3. + 4. Finger fallt ihr manchmal in eine Vertiefung, dies ist das Bregma oder die große Fontanelle ( kommt von Quelle, Fontäne).

Bregma ist der Kreuzungspunkt der Sutura coronalis (corona = der Kranz) und der Sutura sagittalis (sagitta = der Pfeil).

Dreht ihr die Hand wie einen Scheibenwischer um den Punkt der Glabella, findet ihr dort die Sutura coronalis. Jetzt könnt ihr sie tasten. Am Pterion (=kl. Flügel, Wind) ist die Sutur zuende.

Um das Pterion zu finden, palpieren wir 1 Querfinger neben dem lateralen Augenwinkel und 1 Querfinger cranial. Dort liegt das Pterion.

Wieder eine Fontanelle, ein Zusammenschluss von 4 Schädelknochen: dem Os frontale, Os parietale, Os sphenoidale, und Os temporale (paries = die Wand, tempus = Tempo). Auf dem Os frontale finden wir noch die 2 Tubera (Höcker).

Vom Bregma tasten sich unsere Hände nach hinten über die verzahnte Naht der Sutura sagittalis, bis wir wieder in ein Loch fallen oder eine Erhebung tasten. Das ist dann das Lambda. Die kleine Fontanelle, benannt nach dem griechischen „L“, geschrieben wie ein deutsches „A“. Lambda ist der Kreuzungspunkt der Sutura sagittalis und der Sutura lambdoidea, oder anders gesagt der Sutur zwischen dem Os occipitale ( ob caput – zum Kopf gehörend) und dem Os parietale.

Um sie genau finden zu können, müssen wir mit der einen Hand noch eine andere Fontanelle suchen. Nämlich das Asterion, den dreiseitigen Stern.

Fühlen wir 2 Querfinger medial vom Proc. mastoideus (dem Warzenfortsatz), sind wir genau auf der Sutura occipitomastoidea. Eine sehr verzahnte Naht, die wenig Rotation zulässt, ähnlich der Sutura sagittalis. Sie werden gerne die Iliosacralgelenke des Kopfes genannt.

2 Querfinger nach oben treffen wir auf das Asterion, wo sich das Os temporale, Os parietale und Os occiptale treffen.

Von beiden Punkten ziehen wir eine Gerade und schon können wir in diesem Terrain die Sutura lambdoidea ertasten.

Hinten am Occiput ist ein hervorstehender Haken, man nennt ihn Protuberantia occipitalis externa oder Inion. Genau dort ist der Kreuzungspunkt für das intracranielle Membransystem und folglich auch das Venenabflusssystem und die Trennstelle von Cerebellum u. Cerebrum.

Zu beiden Seiten nach lateral gehend tasten wir eine 3 – 4 querfingerbreite Knochenleiste. Nebenbei ist dort der Ansatz für den M. trapezius und in der Tiefe verläuft der Sinus transversus und schon sind wir wieder am Asterion angelangt.

Viel Vergnügen bei der Palpation
Stefan Höppner