Verschmelzen – mehr als eine Technik

Es gibt viele Angebote auf dem Fortbildungsmarkt, in welchen gute und für Patienten hilfreiche Techniken vermittelt werden, welche wiederum in technisch einwandfreien Behandlungen angewandt werden. Auch das UID legt viel Wert auf Fachkenntnis und Präzision und einen ausreichend bestückten „Werkzeugkoffer“, mit denen von uns ausgebildete Therapeuten an Patienten herantreten können.

Darüber hinaus liegt unser Augenmerk in all unseren Kursen, egal in welcher Kursreihe, von Anfang an darauf die Fähigkeit des Fühlens zu vermitteln. Fühlen von Organen, Gewebe, Strukturen und deren anatomisch präzise Zuordnung. Aber auch dem Fühlen von Fluidität, Rhythmusqualitäten, Faszienzügen und den allgemeinen wie spezifischen, energetischen Qualitäten in einem System.

Dieser Fähigkeit geht jedoch der wesentliche Schritt, des Verschmelzens voraus, wie John Upledger es genannt hat. Er schreibt in seinem Buch „Lehrbuch der CranioSacralen Therapie“, Kapitel 2.3 dazu: „Die meisten von uns wurden angewiesen, mit den Fingerspitzen zu palpieren oder zu berühren. Diese Methode soll am besten geeignet sein, weil die Fingerspitzen als die empfindlichsten Teile der Hand gelten. Wir empfehlen jedoch, mit der ganzen Hand zu palpieren, mit dem Arm, ja sogar mit dem Bauch, je nachdem, welcher Teil des Körpers mit dem Patienten in Berührung kommt. Ziel des Therapeuten ist es, den palpierenden Teil seines Körpers mit dem anderen Körper, den er untersucht, zu ‚verschmelzen‘. Erfolgt diese Verschmelzung, so führt der palpierende Körperteil des Therapeuten dieselbe Bewegung aus wie der Körper des Patienten, es entsteht eine Synchronisierung….Der Schlüssel zu dieser Art von Palpation besteht darin, sich möglichst behutsam und nicht invasiv zu verhalten…. Die Grenze zwischen ihm und dem Patienten sollte irgendwo tiefer in den Körper des Therapeuten verlegt werden.“

John schreibt weiter dazu: „ Eine weitere Voraussetzung verdient erwähnt zu werden. Der Therapeut muss die Informationen, die er von seinen Sinnesrezeptoren (Anmerkung: aus dem Körper des Patienten) erhält, als echt betrachten.“

Im Laufe der Jahre wurde es immer deutlicher, welche Fülle an Informationen darüber hinaus noch in diesem Moment des Verschmelzens für Behandler und Patienten stecken.

Nachdem der Behandler in sich zu einem stabilen Kontakt gefunden hat und sich dem Patienten gegenüber geöffnet hat, legt er plan- und absichtsvoll die Hände auf dessen Körper, mit der Intension zu verschmelzen sowie der Bereitschaft nun Informationen aus dem Körper des Patienten wahrnehmen zu wollen.

Dadurch bekommt der Patient das meist unbewusst wahrgenommene Signal:

  • dass sich der Therapeut mit all seinem Wissen, seinen Fähigkeiten und seiner Energie nun zur Verfügung stellt.
  • dass sich der Therapeut für all seine Befunde, sein Befinden, seine innere Welt interessiert.
  • dass eine Beziehung von Seiten des Therapeuten angeboten wird, auf deren Grundlage man einen gemeinsamen, geweblich-energetischen, therapeutischen Weg geht.
  • dass ein therapeutischer Raum eröffnet wird, indem die Prinzipien von empathischer Neutralität und Wertfreiheit so gut als möglich gelten.

Dem Therapeuten wird erst durch das Verschmelzen ein authentisches Erfühlen des Körpers und ein Einfühlen in das Energiesystems des Patienten möglich, sowie eine situative und jederzeit überprüfbare Einschätzung ermöglicht, wie stabil die Beziehungsbasis zum Patienten ist, für uns einer der wesentlichsten Faktoren in einem Heilungsprozess. Diese Information ergibt sich einerseits daraus wie schnell und leicht der Therapeut mit dem Körper des Patienten verschmelzen kann und andererseits aus der Fähigkeit des Patienten seinerseits mit den Händen des Therapeuten von innen zu verschmelzen und dort für die Dauer des Behandlungsprozesses zu verbleiben. Ebenso ist aber auch die Fähigkeit zur „Entschmelzung“ am Ende einer Behandlung von Bedeutung und kann uns Hilfe zur Reflektion über die Therapeuten-Patienten-Beziehung sein.

All diese Aspekte machen also deutlich, wie wesentlich und grundsätzlich das Verschmelzen bei der Arbeit mit Patienten ist, wenn wir sie im Sinne John Upledgers tun möchten und lässt uns sein Zitat „making the world a touch better“ in seiner Tiefe noch besser verstehen.

Friederike Groot Landeweer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.